Wie kommt der Kater auf die Haube

Der kleine Kater balanciert auf der Kühlerhaube des silberfarbenen Jaguars. Tiertrainerin Conny Romanowski wedelt mit Federbüschen, an denen kleine Klingeln neben optischen Reizen auch akustisch die Aufmerksamkeit des Models auf vier Pfoten erregen sollen. Der Balanceakt ist so spannend, dass der silberne Tiger das ganze Drumherum vergißt: Die Kamera mit Frank Aschermann dahinter, die vielen Lampen und Assistenten, hinter dem Set die Weite des Studios, die Respekt und Angst einflößen könnte. Doch meine beruhigende Stimme schafft Vertrauen. Dies ist ein Spiel wie alle anderen. Auch wenn der Tiger zu Hause mit uns auf dem Fußboden agiert und nicht auf einer rutschigen Kühlerhaube, die so ein steifes, springendes Katzentier ziert, das sich partout nicht von der Stelle bewegen läßt.

Nicht erst, seitdem ein Affe flötend vermittelt, dass im Urwald und bei Toyota kein Ding unmöglich ist, hat die Werbung die Wirkung von Tieren entdeckt. Schon der Tiger im Tank gab ein völlig neues Fahrgefühl. Jägermeister-Genuss hat auch immer etwas mit der Majestät eines stolzen Hirsches zu tun. Wandfarbe ist nur weiß, wenn sie dem Vergleich mit einer weißen Perserkatze stand hält.
Und wenn deutsche Lyrik das Schlemmermenü für den Kartäuser ankündigt, kann kaum ein Katzenfreund noch widerstehen. Er kauft.

Über die Wirkung von Werbung auf den Käufer ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Über die Wirkung von Tieren in der Werbung scheinen sich clevere Werbefachleute verstärkt Gedanken zu machen. In immer mehr Spots tauchen Tiergesichter auf, auch in den Trailern für die Werbeblocks. In einer Zeit der steigenden Haustierzahlen - vom Hamster bis zum Hund - zollen die Trendsetter dem Publikumsgeschmack Tribut.

Für uns brachte die Werbung eine neue Dimension in unser Hobby. Wir züchten Silvertabbys, gemusterte Katzen mit einer silbernen Grundfarbe. Silbertiger im Kleinformat, sozusagen. Siegfried und Roy und Stukenbrock lassen grüßen. Als die Firma Effem aus Verden/Aller die silbernen Tiger als Werbeträger für Whiskas-Katzennahrung entdeckte, gewannen diese Katzen an Popularität.

Plötzlich stieg das Verlangen nach so einer Katze, und damit an immer neuen Werbespots, Plakaten, Kalendern, T-Shirts, Porzellantellern, selbst Uhren und Strandlaken ins Unvorstellbare. Werbefachleute und Fotografen kontaktierten uns, baten uns und unsere silbernen Tiger ins Studio. Seit zehn Jahren immer mal wieder.

Dieser Spot für einen Katzenkalender ist für die Trainerin einer von vielen Terminen. Tagsüber mit Katzen im Studio, abends eine Szene mit Hund im einem „Tatort". Osterwerbung mit Kaninchen gefällig? Auch da hat sie den passenden Partner parat. Zur „Kundenkartei" von Conny Romanowski zählen auch Leute mit Riesenschlangen, mit Löwen, Tigern und Nandus aus privatem Tierpark, Papageien, Kaninchen Fischen, Eseln, Pferden, Hühner, Enten, Gänsen, Meerschweinchen, Ratten und anderen Nagetieren. Hunde und Katzen (fast) aller Rassen, natürlich auch Mischlinge für jeden Anlass, gehören zum vierbeinigen Repertoire. Ein Werbespot mit Straußeneiern gefällig? Auch die kann Conny Romanowski besorgen.

Die abenteuerlichsten Szenen erhält die Tiertrainerin als Aufgabe. Den Hund rennen und mit Läufer weiterrutschen lassen, wie in der Cesar-Reklame? Das ist leicht, lächelt sie. Auch Hunde behalten lebenslang den Spieltrieb, weiß sie, und verweist auf diese Eigenschaft auch als Grundlage zur Ausbildung zum Drogen- und Sprengstoff-Spürhund. Wobei die Arbeit mit Hunden durch den Herdentrieb, die Orientierung am „Leitwolf" Mensch, erleichtert wird. Eine Katze lässt sich nicht dressieren. Aber überlisten, weiß Conny Romanowski.

Doch die List will immer wieder neu überlegt sein. Denn dreimal fällt so ein Stubentiger nicht auf die gleiche Finte herein. Nur mit Fantasie und Überredungskunst lässt sich die Katze dahin und so dirigieren, wie es die vom Effem-Team erdachte Vorlage verlangt.

Der Laie staunt und wundert sich: Der kleine Tiger soll in Schubladen kriechen, aber bitte schön sein Hinterteil und einen Fuß zur Kamera strecken, nun einen Blick zur Seite riskieren, sagt das Script, und dann umdrehen und über den Rand des Schubfachs blinzeln. Das klappt nie, denkt man als Zuschauer. Der Fotograf und die Tiertrainerin sind anderer Ansicht. Sie behalten recht. Nach drei Stunden sind die Aufnahmen genau so im Kasten. Conny Romanowski weiß schließlich, was Katzenkinder wünschen. Die Brunsbüttelerin findet und erfindet immer wieder neue Spiele, die Katzen antörnen.

Und wenn alle Stricke reißen und die tierischen Models streiken, dann hilft die Technik weiter. Denn was glauben Sie, wie die Wildschweine in den Peugeout hineinspringen? Nichts einfacher als das: Dafür gibt es Computer.

den Text stellte uns Maria Wellmeyer zur Verfügung /// Fotos (c)whiskas und Lothar Eden